
Der Kungsleden im Norden Schwedens gehört zu den schönsten und beliebtesten Fernwanderwegen der Welt. Gerade die ersten Etappen des 450 km langen Trails sind im Sommer stark begangen, erfreuen sich aber auch im Winter großer Beliebtheit. Die langen und kalten Nächte im nordischen Winter versprechen großartige Polarlichter in den Weiten der Wildnis.
Durch das Bergsteigen besaßen wir schon einig Erfahrung in Schnee und Eis. Dennoch nahmen wir die Sache nicht auf die leichte Schulter, denn eine winterliche Woche nördlich des Polarkreises kann die ein oder andere Überraschung mit sich bringen. Für den Einstieg in diese Art Abenteuer wählten wir also die klassischen Route von Abisko nach Nikkaluokta.
1. An- und Abreise
Ein großer Pluspunkt Schwedens ist die hervorragende Infrastruktur, welche teilweise extra für den Tourismus in den entlegenen Gebieten ausgebaut wurde. So bieten sich für die Anreise zum Kungsleden gleich zwei praktikable Möglichkeiten an.
Variante 1
Man kann von Deutschland nach Stockholm fliegen und vom Flughafen mit der Tram zum Bahnhof in die Stadt fahren. Dort fährt täglich ein Nachtzug, welcher am nächsten Vormittag in Abisko hält. Man sollte sich jedoch der Menge und des Volumens der eigenen Ausrüstung bewusst sein, denn die Schlafabteile des Nachtzuges sind eher kompakt. Allzu viel Schlaf sollte man in diesem Zug daher nicht erwarten.
Variante 2
Von Stockholm kann man auch einfach weiter nach Kiruna fliegen. In Kiruna kommen ca. 3-5 Flugzeuge am Tag an und jedes Mal fährt passend dazu ein Shuttlebus in die Stadt. Vom dortigen Busbahnhof fährt eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges wiederum ein Shuttlebus zum Bahnhof. Das System ist einfach aber effizient. Der Zug von Kiruna nach Abisko fährt (Stand 2022) 9:32 Uhr und 14:44 Uhr, die Fahrt dauert ca. eine Stunde. Wenn es zeitlich nicht passt, noch am selben Tag nach Abisko zu fahren, so gibt es in der Innenstadt Kirunas reichlich Hotels und Pensionen.
Abreise
Von Nikkaluokta fährt täglich 12:00 Uhr ein Bus zum Busbahnhof Kirunas. Von dort kann man dann entweder zum Flughafen oder zum Bahnhof gelangen, um die Rückreise anzutreten.
Wichtig ist: alle genannten Verkehrsmittel transportieren (Stand 2022) Pulkas (siehe Ausrüstung). Für die Flugzeuge muss man sich allerdings an die Gepäckrichtlinien der jeweiligen Airline halten.

2. Ausrüstung
Die Ausrüstung sollte vor allem eines sein: warm. Im Wesentlichen hatten wir die Sachen zum Bergsteigen dabei und ergänzten das Ganze mit dicken Daunenjacken für die kalten und klaren Nächte mit Polarlichtern. Auf Helm, Eispickel, Klettergurt usw. haben wir natürlich verzichtet.
Man kann den Weg allerdings nicht einfach mit Stiefeln gehen, denn so würde man pausenlos im Schnee versinken und nicht vorankommen. Wir nutzen daher Schneeschuhe und waren mit folgendem Modell von Tubbs hochgradig zufrieden, da es einerseits preisgünstig ist, über die inovative BOA-Schnürung verfügt und die integrierten Steigeisen soliden Halt bei geringem Gewicht garantieren.
Alternativ kann man auch Langläufer (Backcountry-Ski) oder Tourenski nutzen. Diese bieten auf der Geraden einen gewissen Geschwindigkeitsvorteil, sind dafür bergauf sehr langsam. Auch bergab sollte man sich bei der Nutzung von Ski in Acht nehmen, da das (schiebende) Gewicht des Pulkas nicht unterschätzt werden sollte. Weiterhin kann man davon ausgehen, dass die „Felle“ der Tourenski in Mitleidenschaft gezogen werden, da die regelmäßigen Stürme für ausgepräge Blankeisflächen und schneefreie Felsen sorgen.
Mit Schneeschuhen ist man sehr gut aufgestellt und kommt in jeder Situaion hervorragend zurecht.

Ein quasi unverzichtbarer Ausrüstungsgegensdtand ist der/die/das Pulka – ein Schlitten auf dem die Ausrüstung transportiert wird. Die Winterausrüstung ist in Summe sehr schwer, dazu kommen dann noch Vorräte und Gaskartuschen für die komplette Tour. Würde man all dies in seinen Rucksack packen, wäre man selbst mit Schneeschuhen oder Ski so schwer, dass man im Schnee einsinken würde. Ein weiteres Problem ist der Schweiß am Rücken. Sobald man zur Ruhe kommt, gefriert bei -20°C alles innerhalb von Minuten. Das Pulka muss also sein.
Man sollte darauf achten, dass das Pulka nicht schwerer als 50 kg ist, leichter ist besser. Wenn jeder sein eigenes Pulka nutzt, wird das Ziehen deutlich angenehmer. Es hat allerdings auch Vorteile, wenn einer stets „mobil“ ist, denn die Pulkas fallen häufiger um, als man denken würde.
Das Pulka kann man aus Deutschland mitbringen, sofern die Fluggesellschaft dies erlaubt, was die günstigste Variante ist. In Kiruna gibt es den Anbieter KIRUNA GUIDETUR, welcher Pulkas vermietet. Diese Agentur wirbt allerdings nicht damit, man muss per Mail anfragen. In diesem Fall bezahlt man 400 Kronen für den ersten und 200 Kronen für jeden weiteren Tag.
Nicht empfehlenswert ist der Verleih der Pulkas in Abisko. An der Pole-Position am Beginn des Kungsleden bezahlt man mit knapp 5.000 Kronen pro Woche eine deutlich teureren Preis. Dazu kommt, dass diese „Schnäppchen“ bereits Monate im Voraus ausgebucht sind.
3. Übernachtung
Entlang des nördlichsten Abschnittes des Kungsleden gibt es bewirtschaftete Hütten in sehr angenehmen Abständen zueinander. Die STF-Hütten bieten gasbetriebene Kochstellen und Holzöfen in den Gemeinschafts- und Schlafräumen. Nutzt man diese Hütten, ist man als Gast aber auch dafür verantwortlich neues Holz zu hacken und Wasser zu holen. Letzteres kann im Winter recht abenteuerlich sein, da man hierzu oftmals ein Loch in einen See hacken muss.

Speisen gibt es auf diesen Hütten nicht, man kann jedoch eine rudimentäre Auswahl an Lebensmittel in der jeweiligen Rezeption erwerben. Duschen existieren auf den Hütten nur sofern diese auch über eine Sauna verfügen. Eine Übernachtung kostet meist 55 € p.P. für Nichtmitglieder oder 45 € p.P. für SFT-Mitglieder. Der wesentliche Vorteil der Hütten ist die Gelegenheit die eigenen Sachen mal wieder richtig trocken zu bekommen.
Neben den bewirtschafteten Hütten gibt es noch Not-Hütten. Diese kann man grundsätzlich für eine Pause, aber auch für eine Übernachtung nutzen. Man sollte diese Hütten allerdings nicht im Voraus einplanen, denn sonst gibt es bei einem echten Notfall eventuell ein böses Erwachen. Als wir an unserem zweiten Tag bei 110 km/h Windgeschwindigkeit eine solche Hütte nach kurzer Rast wieder verließen, ahnten wir bereits Schlimmes: in der folgenden Nacht mussten sich dort 14 Menschen auf engstem Raum zusammenquetschen, da der Sturm ein Weiterkommen für Untrainierte unmöglich machte.

In den Not-Hütten gibt es ebenfalls einen kleinen Holzvorrat, der allerdings wirklich nur für den absoluten Notfall gedacht ist, worauf auch mehrere Schilder hinweisen.
Unter Berücksichtigung der Nationalpark-Regeln kann man in Schweden auch überall zelten. Das Zelt muss unbedingt für Schnee geeignet sein, damit man nicht erstickt und auch eine gute Stabilität ist bei den starken Winden erforderlich. Aufgrund der extremen Wetterbedingungen nutzen wird das Zelt nur in wenigen Nächten und freuten uns dann jenen Morgen über steinhart gefrorene Schuhe.
4. Die Route
Eines vorweg: es gibt keinen echten GPS-Track für den Winterweg, da sich dieser jedes Jahr mehr oder weniger ändert. Der Hauptweg – also der Kungsleden – ist gleichzeitig der Rettungs- und Versorgungsweg der Schneemobile, weshalb er auch mit roten Kreuzen markiert ist. Bei den Wetterbedingungen, die wir vorfanden, wären andere Wege lebensgefährlich gewesen, da man manchmal tagelang kaum 20 m weit sehen konnte. Wenn man nun noch dem GPS-Track des Sommers auf (im Winter) unmarkierten Wegen folgen würde, so wäre die Katastrophe vorprogrammiert. Der folgende Track dient daher nur zur groben Orientierung.
Wie man dem Track entnehmen kann, waren wir noch auf dem Kebnekaise – dem höchsten Berg Schwedens. Es gibt dafür auch einen Winterweg von Osten, den wir jedoch nicht nutzen konnten, da wir sonst das Pulka mit auf den Berg hätten schleppen müssen. Der hier gezeigte Weg verfügt ab einer Höhe von ca. 1.400 m ü. NN zwar über Wintermarkierungen, ist jedoch aufgrund der Steilheit und potentiellen Lawinengefahr nicht zu empfehlen. Diese Einschätzung beruht auf unserer Erfahrung, die (mal wieder) bei extremen Sturm und -15°C entstanden ist, weshalb wir auch am Gipfelgrat abgebrochen haben – Aussicht gab es an diesem Tag so oder so nicht.
5. Die Tour
Der nördlichste Abschnitt des Kungsleden ist aufgrund der guten Wegmarkierungen und der gemütlichen Hütten auch im Winter keine große Herausforderung – wenn das Wetter stimmt. Der Orkan, der uns bei Minusgraden um die Ohren peitschte, belegt allerdings, dass man solch eine Tour nördlich des Polarkreises im Winter nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Die ca. 30 Leute, welche wir am ersten Abend in der Abiskojaure trafen, fielen größtenteils 2-3 Tage hinter uns zurück und einige mussten sich verletzt oder aufgrund von Erschöpfung auch abholen lassen.

Im Abschnitt „Übernachtung“ habe ich beschrieben wie wir ab dem zweiten Tag quasi allein waren. Die Alesjaure erreichten an diesem Abend lediglich 8 der ca. 30 Leute, etwa die Hälfte musste in der Not-Hütte zwischen Abisko- und Alesjaure übernachten. Zwei aus dieser „Spitzengruppe“ benötigten nach den Anstrengungen dieses Tages einen Ruhetag, sodass wir anschließend nur noch zwei Franzosen, zwei Belgier und zwei Deutsche in der weiten, leeren Landschaft waren.
Der Orkan blieb uns die folgenden Tage erhalten, bot jedoch wiederholt einige Lichtblicke. Es waren diese Momente, in denen die Wolken aufrissen und den Blick auf die schneebdeckten Weiten des schwedischen Fjälls freigaben, die diese Reise unvergesslich machen sollten.

Die stundenlange Wanderung mit schweren (Schnee-)Schuhen bei Minusgraden sorgten für großen Hunger, sodass unser Pulka Tag für Tag leichter und das Ziehen damit deutlich angenehmer wurde. Wir mieden nun auch die bewirtschafteten Hütten, schließlich hatten wir ja Zelt, Schlafsäcke, Kocher und Gas dabei und suchten die Not-Hütten nur auf, wenn uns der Orkan die Lust am Zelten nahm.
Weg und Landschaft gestalteten sich dabei abwechslungsreicher als man meinen mag, da die regelmäßigen Stürme teilweise für nackten Fels und wiederholt für meterhohen Schnee sorgten. Ein wahrer Genuss waren die Überquerungen der gefrorenen Seen und Flüsse, denn die Schneeschuhe konnten mit den integrierten Steigeisen einen Trumpf ausspielen und das Pulka rutschte fast von allein dahin.
Im Tal von Nikkaluokta errichteten wir ein Lager für zwei Nächte, da wir auf den höchsten Berg Schwedens steigen wollten, was – wie oben beschrieben – nicht die beste Idee war. Die raue Natur zeigte sich noch einmal von ihrer härtesten Seite und fegte uns bei eisigen Temperaturen zurück ins Tal, wo unser Zelt gut geschützt in einem kleinen Wäldchen wartete.
Die letzte Nacht in der Wildnis war gleichzeitig auch jene Nacht, in der das Titelbild dieses Beitrages enstand. Im krassen Gegensatz zu den lebensfeindlichen Bedingungen am Kebnekaise erlebten wir an diesem Abend Windstille und eine sternenklare Nacht mit beeindruckenden Polarlichtern. Diese Entschädigung für unsere Strapazen der vergangenen Tage motivierte uns für den letzten Marsch bis Nikkaluokta, wo wir uns nocheinmal eine Hütte mit Sauna und warmer Dusche gönnten, bevor wir am nächsten Tag mit dem Nikkaluokta-Express nach Kiruna zurückfuhren.

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