
Auf den Spuren der Reconquista, vorbei an den großen Burgen des Mittelalters und ab durch das spanischen Lappland. All dies erlebten wir auf dem Camino del Cid – von Valencia zum Jakobsweg und über die Pyrenäen schließlich nach Bordeaux. Unsere erste Radreise „zu dritt“ sollte mal wieder von Anfang bis Ende spannend bleiben.
1. Allgemeines
Camino? Kennt man. Aber wer war El Cid? Kurz gesagt: ein spanischer Nationalheld. Er war maßgeblich an der Rückeroberung der zentralen Gebiete der Iberischen Halbinsel im Hochmittelalter beteiligt. Die bewegte Geschichte, wechselnde Herrschaften und der Mix kultureller Einflüsse aus Islam und Christentum prägten diese Landstriche im Herzen Spaniens.
Und mittendrin bzw. quer hindurch führt der Camino del Cid. Dabei gibt es nicht DEN Camino. Es handelt sich um mehrere Routen für Wanderer und Radreisende. Radfahrer dürfen sich über verschiedene Varianten freuen, wobei einige explizit für Mountainbikes oder zumindest Gravelbikes gedacht sind. Rennradtauglich ist keine der Varianten in ihrer Gesamtheit.
Wir haben die verschiedenen Radrouten kombiniert, sind aber bedingt durch das Wetter auch von der ursprünglichen Route abgewichen – aber auch das hat sich gelohnt!

2. An- und Abreise
Valencia ist ein hervorragender Ausgangspunkt für Radreisen im spanischen Hinterland und natürlich für den Camino del Cid. Dieser startet eigentlich bei Murcia, führt aber durch Valencia. Für die Rückreise haben wir Bordeaux gewählt, da wir nochmal über die Pyrenäen fahren wollten und das in Hinblick auf Route und Zeit die sinnvollste Lösung war. Außerdem war gerade Austernsaison!

Für die Anreise konnten wir unsere Fahrräder bereits im Vorfeld in Fahrradkartons verpacken, die wir beim örtlichen Händler bekommen haben. Für die Rückreise haben wir zwei Wochen vor unserer Ankunft in Bordeaux die ersten örtlichen Fahrradläden angeschrieben. Nach ein paar Versuchen hatten wir Erfolg und zwei Kartons reserviert.
In Bordeaux buchten wir eine Unterkunft mit ausreichend Platz für die Demontage der Fahrräder. Natürlich durfte auch das übergroße Familien-Taxi zum Flughafen nicht fehlen. Und tatsächlich – es war kein Millimeter mehr Platz, als wir die Räder im Kofferraum verstaut hatten.
3. Ausrüstung und Versorgung
Das spanische Hinterland ist dünn besiedelt. Zahlreiche kleine Ortschaften sind mittlerweile sogar ganz verlassen und liegen teilweise in Ruinen. Dementsprechend kann der nächste Supermarkt auch etwas weiter entfernt sein oder man hat nur kleine Läden zur Verfügung. Verhungern wird man jedoch nicht.
Wie in Südeuropa üblich findet man auch in Spanien am Wegesrand und im kleinsten Dorf öffentliche Brunnen, sodass die Wasserversorgung nirgendwo ein Problem darstellt.

Unsere Ausrüstung für diese Radreise bestand aus den Basics. Eine Gaskartusche konnten wir über ein Mitglied von Warmshowers organisieren, da an unserem Anreisetag Feiertag in Spanien war.
Die Fahrt durch die kleinen Dörfer fühlte sich wie eine Zeitreise an. Einen gut ausgestatteten Fahrradladen sucht man hier vergebens. Gut beraten ist, wer das ein oder andere Ersatzteil mehr dabei hat. Neben Schläuchen, Reifenhebern, Multitool und Flickset sollte auch ein Kettenschloss und das entsprechende Werkzeug dabei sein.
4. Übernachtung
Campingplätze gibt es entlang der Route wenige. Jedoch existieren zahlreiche mehr oder weniger offizielle Stellen, an denen man die Nacht verbringen kann. Entlang von Bahntrassenradwegen bieten sich die ehemaligen Bahnhöfe an, welche in der Regel zu komfortablen Rastplätzen ausgebaut wurden – inklusive Grill und manchmal Wasser. Besonders schön sind die unbewirtschafteten Hütten in den Wäldern und Gebirgen der iberischen Halbinsel. Dank OpenStreetMap oder Komoot sind diese Refugios besonders einfach auffindbar.

Die „richtigen“ Unterkünfte sind ebenfalls jederzeit einen Besuch wert. Massentourismus gibt es abseits der Küste und außerhalb von Madrid quasi nicht, sodass die Unterkünfte meist kurzfristig buchbar und recht günstig sind.
5. Die Route
Die verschiedenen Routen des Camino del Cid sind hervorragend auf Komoot bzw. OpenCycleMap verzeichnet. Anhand der Farbe kann man erkennen, ob es sich um die „normale“ Strecke oder die Varianten für Gravelbike bzw. MTB handelt.
Wir kombinierten die verschiedenen Varianten des Camino del Cid mit einigen bereits fertiggestellten Teilen des Bahntrassenradweges zwischen Valencia und Santander. Wetterbedingt wichen wir in dem großen kargen Hügelland der Meseta Central vom Camino ab, um über die Berge der Sistema Iberico auf den Jakobsweg zu gelangen. Im Anschluss wählten wir einen malerischen Pass über die Pyrenäen, um vorbei an der größten Düne Europas nach Bordeaux zu fahren.

6.1 Das Hinterland Spaniens
Valencia ist sehens- und lebenswert. Nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Fahrradinfrastruktur, ist die Stadt am Mittelmeer ein lohnender Anlaufpunkt für Radreisende. Auf bestens ausgebauten Radstraßen schwebt man förmlich durch die Vororte der Stadt und findet sich kurz darauf im ländlichen Raum wieder. Nach wenigen Kilometern, nahe Sagunt, erreichten wir den ersten Bahntrassenradweg.

Die ehemalige Bahntrasse steigt stetig in das Hinterland bei Teruel auf. Mit Brücken, Tunneln oder einfach großen Schnitten durch die Landschaft, kommt man hier sehr gut voran – siehe Titelbild.
Nordwestlich von Teruel bogen wir von der Bahntrasse ab – hier wurde es sogleich sehr bergig. Die hart erkämpften Höhenmeter belohnten uns mit zahlreichen Ausblicken auf Berge und in tiefe Schluchten.

Ein Highlight der Region und der gesamten Reise war die mittelalterliche Stadt Albarracín mit ihren hohen Mauern. Sie liegt in einem tief eingeschnittenen Tal, von denen es in der Umgebung einige gibt. Die Felsen sind bei Kletterern sehr beliebt, sodass man hier Menschen aus ganz Europa treffen kann.
Albarracin ist ein Hingucker, allerdings nicht alleine. Unterwegs druchquerten wir zahlreiche Städte, in denen die Zeit vor Jahrhunderten stehen geblieben sein muss. So führten uns die folgenden Tage nach Molina de Aragon und Daroca.

Der Camino del Cid folgt abseits der Gravel/MTB-Route häufig kleinen Straßen. Im spanischen Hinterland sind diese ohnehin kaum befahren. Die spanische Lebensweise bringt noch einen weiteren Vorteil mit sich: die Siesta! Begegnet man zu allen anderen Zeiten kaum einem Auto, so kann man ohne zu übertreiben feststellen: Zwischen 13 und 16 Uhr ist man quasi alleine auf der Welt! Und wird man doch einmal überholt, so bekommt man in Spanien schnell Angstzustände – allerdings nicht, weil kein Abstand gehalten wird. Nein, die Spanier fahren beim Überholen von Radfahrern fast in den gegenüberliegenden Straßengraben, um maximal Abstand zu halten. Hut ab!

6.2 Freestyle bis zum Jakobsweg
Nachdem wir eine Nacht in Daroca verbrachten, folgten wir dem bekannten Bahntrassenradweg in Richtung Santander. Die hervorragend ausgebaute Trasse bietet an ehemaligen Haltestellen Rastplätze, die manchmal über Fahrradwerkzeug oder Trinkwasser verfügen. Da die Verbindung zwischen Valencia und Santander noch nicht fertiggestellt ist, wird der Radweg alsbald von Bergen unterbrochen. Der Camino del Cid biegt zuvor bereits ab, sodass uns der Radweg gemächlich in eine Blumenwiese entließ.

Wir bogen gen Westen ab, um in das Tal des Rio Mesa zu gelangen. An den steilen Hängen dieses Canyons kreisen Greifvögel, während im Tal der Fluss dahinplätschert. In den verwinkelten Schluchten verstecken sich auch einige Burgen und alte Klöster, die in den Felsen gebaut wurden. Unterbrochen wird die Straße nur von verschlafenen, kleinen Dörfern, die man hin und wieder auf Anhöhen antrifft. Man sollte sich jedoch vor den Winden im Tal in Acht nehmen – fährt man auf der Geraden im kleinsten Gang und muss dennoch hart treten, läuft vermutlich etwas falsch.


Nachdem wir dieses Tal hinter uns gelassen hatten, fuhren wir durch das endlose karge Hügelland der Meseta Central. In dieser Region gestaltete sich die Nahrungssuche teilweise etwas abenteuerlich. Natürlich gibt es Läden und hin und wieder so etwas wie ein Restaurant – das Fahrrad überbrückt die Distanzen dazwischen locker. Will man in dieser Region am Abend gerne mal bedient werden, so muss man geduldig sein, denn vor 21 Uhr passiert in den meisten Küchen nichts! Daher sollte man auch für Übernachtungen in einer festen Unterkunft genug Vorräte in die Taschen packen. Ein Tag auf dem Rad macht schließlich hungrig!

Auf den fernen Hügeln erblickt man häufig Wachtürme – stumme Zeugen der Front, die hier vor fast tausend Jahren verlief. Die vergangen Konflikte hinterließen auch zahlreiche Burgen, die wir nicht alle auflisten können. Besonders eindrucksvoll ist die Festung von Berlanga de Duero, die klotzig über dem breiten Flusstal thront. Der Bergfried bietet einen großartigen Fernblick und ist definitiv einen Besuch wert.

Wir verließen die Meseta Central bei Burgo de Osma, wo wir nach Norden abbogen. Dort kletterten wir auf mehr oder weniger steilen Straßen in das Hochland der Sistema Iberico. Die Gipfel waren hier noch schneebedeckt und das Land wurde deutlich grüner, die frühlingshaften Temperaturen blieben uns glücklicherweise erhalten.
Auf einem weiteren Bahntrassenradweg kann man im Anschluss sehr entspannt aus den Bergen in Richtung Burgos rollen.

6.3 Pilger, Berge und Dünen
Nach dieser Abfahrten kreuzte der weltberühmte Jakobsweg unsere Route. Der EuroVelo 1 kann in dieser Regio durchaus als Fahrrad-Variante des Camino de Santiago verstanden werden. Über lange Strecken verlaufen die Routen identisch, bis sie sich in Pamplona wieder trennen. Da wir uns in diese Richtung bewegten, kamen uns die Pilger entgegen. Und das waren trotz Nebensaison einige.

Wer in dieser Region eine feste Unterkunft sucht, ist in der Regel auf die Pilgerherbergen angewiesen. Diese sind jedoch auch in der Nebensaison sehr gut besucht, sodass sich vorheriges Buchen empfiehlt. Die Unterkünfte sind praktisch, da sie auf die Massenabfertigung von Pilgern zur Hauptsaison ausgelegt sind. Alles geht schnell und Halbpension ist oft inklusive.
In Pamplona verabschiedeten wir uns vorerst vom Jakobsweg, jedoch noch nicht endgültig. Unser Weg führte uns zunächst über den EuroVelo 3 auf einsamen Pfaden in die Pyrenäen. Nach einem Stausee, Schluchten und Wäldern entließ uns der Radweg auf einer grünen Hochebene, auf der Pferde grasten.

Auf besten Wegen ging es im Zickzack hinunter nach Frankreich. Und was bedeutet das? Genau: Camping Municipal. Wir waren endlich wieder im Land der zahllosen, unfassbar günstigen Campingplätze!
Die erste Anlaufstelle war Saint Jean Pied de Port, dem Ausgangspunkt dessen, was man allgemein „den Jakobsweg“ nennt. Gleichzeitig kreuzt man hier den GR10, den Wanderweg der großen Pyrenäenüberquerung sowie den EuroVelo 3, auf dem wir gerade unterwegs waren. Und trotzdem war der Campingplatz mitten im Ort nicht überfüllt.
Uns hielt es hier nicht lange und nach ein wenig Sightseeing ging es auf die Schlussetappe. Zunächst galt es das Pyrenäenvorland zu durchqueren, was aufgrund kurzer, jedoch häufiger und sehr steiler Anstiege anstrengender war als erwartet.

Aber Frankreich wäre nicht Frankreich ohne Voies Vertes und Voies Bleues! Zugegeben, Spanien hat in dieser Hinsicht auch geglänzt, das französische Fernradwegenetz bleibt dennoch unangefochtene Spitzenklasse.
So ließen wir die Höhenmeter hinter uns und erreichten bei Bayonne den Atlantik. Entlang des ca. 200 km langen Sandstrandes an der französischen Westküste folgten wir wieder dem EuroVelo 1 gen Norden. Der ein oder andere Abstecher zu dem nahezu menschenleeren und herrlich sauberen Strand lässt sich hier immer wieder einbauen.
Einer der letzten Höhepunkte der Reise war die Dune du Pilat, die größte Wanderdüne Europas, westlich von Bordeaux. Ein Aufstieg lohnt sich hier definitiv, auch wenn die zahlreichen Touristen nach den letzten Kilometern in nahezu völliger Einsamkeit deplatziert wirken.

Der Weg nach Bordeaux ist recht unspektakulär, man fährt quasi gerade darauf zu. Die Stadt selbst lädt noch zum Erkunden ein, eine Free Walking Tour ist definitiv empfehlenswert. Für uns ging es nach einem entspannten Nachmittag und einem Austern-Frühstück dann auch wieder nach Hause.
7. Schwanger auf Radreise?
Ja, das geht und ist grundsätzlich für Mutter und Kind ungefährlich. Man sollte natürlich einige Dinge berücksichtigen.
- Kenne deine Leistungsfähigkeit. Plant kürzere Etappen und ausreichend Reservetage ein.
- Ausreichend Essen und Getränke. Das Kind nimmt sich was es braucht, also bleibt im Zweifel zu wenig für die Mutter.
- Pulskontrolle ist Pflicht. Die werdende Mutter sollte nicht im anaeroben Bereich Sport machen, denn das kann zur Sauerstoffunterversorgung für das Ungeborene führen.
Also fahrt die steilen Berge etwas langsamer hoch, geht nie an eure Grenzen, esst und trinkt reichlich und fallt nicht hin.
Viel mehr ist es nicht. Eine normale Schwangerschaft ist kein Hindernis für eine Radreise.
Der wahre Spaß beginnt ohnehin erst nach der Geburt!
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