Spät im Jahr sollte es noch einmal mit dem Rad losgehen. Aufgrund der noch immer unsicheren Corona-Lage entschieden wir uns für Italien, wo es zudem Ende November noch angenehme Temperaturen zum Radfahren geben sollte.
Nach den positiven Erfahrungen aus Frankreich, der Slowakei und Kroatien entschieden wir uns erneut die EuroVelos zu nutzen. Zunächst folgten wir dem EV 7 von Bologna bis Rom, um anschließend weiter auf dem EV 5 nach Tarent zu fahren.
1. Die Route
Die Streckenführung der EuroVelos ist in Italien wirklich gut durchdacht, sodass wir im Vorfeld keinen Änderungsbedarf sahen. Ledigleich in der Gegend bei Orvieto bauten wir eine zusätzliche Bergetappe ein, um die märchenhafte Altstadt von Bagnoregio (Titelbild) zu besuchen.
Warum eigentlich Bologna und Tarent? Zwischen diesen beiden Städten gibt es eine IC-Verbindung, bei welcher eine Fahrradmitnahme gestattet ist. Somit war eine zügige, entspannte und günstige Rückreise (35 € p.P.) ermöglicht.
Auf der Website der Italienischen Bahn kann man sich Details zu den Zügen anzeigen lassen. Ein kleines Fahrrad-Symbol bedeutet, dass die Mitnahme erlaubt ist. Diese ist in Fernzügen mit begrenzten Plätzen allerdings reservierungspflichtig und kostet lediglich 3,50 €.
2. Ausrüstung
Wir waren wieder mit vollständiger Ausrüstung unterwegs. Das dicht besiedelte und landwirtschaftlich stark genutzte Italien, lädt im November jedoch nicht wirklich zum zelten ein. Einen geeigneten Platz zum Wildcampen zu finden, war in Anbetracht der schlammigen Bodenverhältnisse nur schwer möglich. Es lohnt sich einen Bauern anzusprechen und nach einer Möglichkeit zum Zelten auf seinem Land zu fragen.
3. EV 7 von Bologna bis Rom
Der urbane Trubel zu Beginn dieses Abschnittes wurde durch breite Radwege der Stadt etwas aufgelockert. Die Stadt Bologna liesen wir schnell hinter uns und konnten die Tour entlang des Flusses Reno genießen.
Im Folgenden wechselten sich kleine und größere Dörfer, Hügel und Flussabschnitte ab. Ab und an fuhren wir auf großen Talstraße, nutzten aber häufiger Nebenstraßen. Dieser Wechsel endete im Örtchen Ponte, wo ein 40 km langer und 1.000 m hoher Anstieg begann.
Links und rechts türmten sich immer höhere Berge auf, dabei durchquerten wir einen Wald mit alten, hohen Bäumen. So eine Vegetation sollte auf dieser Tour die Ausnahme bleiben, denn grundsätzlich ist Italien ein sehr dicht besiedeltes und landwirtschaftlich stark genutztes Land. Leider hatten wir auf dieser Etappe durchgängig Regen, sodass es wenig zu sehen und zu fotografieren gab.
Nach einem Pass folgte eine steile Abfahrt, während der wir bereits die Vororte von Florenz von oben betrachten konnten. Bis zum Stadtzentrum war es allerdings noch ein langer Weg, wobei uns der Eurovelo zuverlässig und entspannt durch das Vorortelabyrinth führte.
Wir konnten das historische Stadtzentrum und die gothische Kathedrale von Florenz im Dauerregen des Novembers genießen. Es war bemerkenswert, dass hunderte Touristen bei diesem tollen Rahmenbedingungen Florenz besuchten, sodass wir im Slalom fahren mussten.
Nach Florenz folgten Abschnitte auf kleineren und größeren Straßen, die aufgrund des hohen Verkehrsaufkommen anstrengend zu fahren waren. Glücklicherweise hatte dies nach dem Örtchen Burchio ein Ende. Nun folgte ein abwechslungsreicher Abschnitt mit steilen Anstiegen und langen flachen Abschnitten entlang des Flusses Arno.
Irgendwann endeten die Hügel und der EuroVelo durchquerte eine schier endlose Tiefebene, welche eingesäumt von zahlreichen Hügelstädten nach Süden führte. Das entspannte Rollen durch das Flachland wurde nach etwa 90 km aprupt unterbrochen. Als es wie aus dem Nichts steil bergauf ging – fast zu steil, um das Rad zu schieben.
Doch die Strapazen lohnten sich. Wir wurden mit Panoramaausblicken und schließlich mit der Stadt Orvieto belohnt, die majestätisch auf einem Tuffstein-Felsen thront. Wir übernachteten in dieser wunderschönen Bergstadt und genossen die Altstadt im Abendlicht.
Von Orvieto aus begaben wir uns auf einen kleinen Umweg und verließen den EuroVelo 7, um die Stadt Bagnoregio (Titelbild) tief in den Bergen zu besuchen. Majästetisch und einsam thront die Altstadt hoch oben auf einem schroffen Fels. Der Blick über die Umgebung war gigantisch. Dieser Ort ist jedoch nur ein Musterbeispiel für die zahllosen kleinen und großen Bergstädte, die wir auf unserer Tour besuchen durften.
Diese Ausblicke mussten wir uns allerdings mit vielen schweißtreibenden Höhenmetern erkaufen. Aber diese Mühe war es definitiv wert. Für fast zwei Tage war unsere Variante und der EuroVelo nun ein steter Wechsel aus Berg mit Bergstädtchen und tief eingeschnittenen Tälern. Eine der vielen Abfahrten durch kleine Ortschaften und Weinberge war schließlich ungewöhnlich lang. Wir erreichten ein besonders tief gelegenes und weites Tal. Von einem Moment zum Nächsten befanden wir uns am Tiber und bereits in den Vororten Roms.
Auch wenn die Planer des EuroVelos bemüht waren wenig befahrenen Straßen und Feldwegen zu folgen, so war der zweispurige Tiber-Radweg doch eine willkommene Abwechslung. Die letzten Kilometer düsten wir förmlich mit über 30 km/h und schweren Gepäcktaschen auf das Zentrum der antiken Stadt zu.
Wir wollten schon lange den Petersdom und das Kolosseum mit eigenen Augen sehen. Und nun standen wir mit den Reiserädern, verschwitzt und schmutzig davor. Ein deutlicher Kontrast zu den Touristenmassen, die sich hier auch im November tummelten.
Wir gönnten uns einen freien Nachmittag im Getümmel der Altstadtgassen und besichtigen die Highlights der italienischen Hauptstadt. Der Abschnitt des EuroVelo 7 war somit geschafft, von nun an folgten wir dem EuroVelo 5 Richtung Tarent.
4. EV 5 von Rom nach Tarent
Um 7 Uhr, es war noch dunkel, starteten wir die Abfahrt aus Rom. Ziel war es dem Hauptverkehr auszuweichen und das Kolosseum noch einmal nur für uns zu haben. Rom verfügt über einige Radwege, die Stadt ist allerdings sehr weitläufig und je weiter man sich vom historischen Kern entfernt, desto autofreundlicher wird die Stadt. Also Augen zu und durch.
Nachdem wir den urbanen Raum verlassen haben, konnten wird endlich durchatmen – und wie! Von nun an wurde das Land mit jedem Kilometer weniger dicht besiedelt und auch die Berge ragten immer höher und höher auf. Der eine oder andere Abstecher durch den Schlamm hat die Laune dabei nicht getrübt.
In Italien muss man hinter jeder Kurve mit allem rechnen. Vierspurige Straße, Altstadt mit engen Gassen, Trampelpfad, Schlammpiste oder wie in diesem Fall: ein hervorragend ausgebauter Radweg auf einer Bahntrasse! Über aussichtsreiche Kilometer erklommen wir mit moderater Steigung die Hänge der Apenninen. Diese Fahrt in den Sonnenuntergang führte uns in die (Berg-)Stadt Fiuggi, welche in ganz Italien führ ihr heilsames Wasser bekannt ist. Ob mit diesem Wasser tatsächlich Nierensteine zu therapieren sind, wie bereits bei einem früheren Papst, konnten wir nicht prüfen. Dem durstigen Radfahrer hat es jedenfalls geschmeckt.
Da Fiuggi hoch am Berg gelegen ist, ging es auf den danach folgenden Kilometern steil bergab bis nach Ferentino. Im Anschluss gestaltete sich die Strecke aus einem steten auf und ab. Man könnte es noch hunderte Male erwähnen: die Ausblicke in dieser Landschaft sind einfach gigantisch und auch abseits der touristischen Hotspots hat Italien sehr viel zu bieten.
So begnügten wir uns auch das weltberühmte Kloster Monte Cassino, welches hoch oben auf einem Berggipfel thront, von unten zu betrachten und unsere Reise fortzusetzen. Diese Entscheidung sollte sich später als goldrichtig herausstellen. Am Abend genossen wir einen herrlichen Sonnenuntergang im Dorf San Vittore del Lazio. Hier übernachteten wir im B&B Sud e Magia. Der Besitzer ist nicht nur ein herzlicher Gastgeber, sondern auch noch gelernter Koch. Der selbstgebackene Kuchen zum Frühstück war der Beste der ganzen Reise.
Es folgt eine alte Passstraße, die dank eines Tunnels heute nahezu autofrei ist. Der EuroVelo schwenkte nun von der Westseite der Apenninen in eine große Ebene. Es folgte ein fahrtechnisch einfacher Abschnitt. Leider erwischte uns hier wieder der November mit grauen und kaltem Wetter, sodass sich uns dieser Abschnitt etwas trostlos präsentierte.
Am Ende wurden wir mit der belebten Stadt Benevento belohnt. Neben einem Amphitheater sowie Triumphbogen laden auch zahlreiche Restaurants in der autofreien Altstadt zum verweilen ein. Ab hier wird es auch wieder bergig, denn ab nun führt der EuroVelo 5 endlich über die Apenninen!
Die Bergwelt war hier ein stetes Auf und Ab durch eine zunehmend kahle Landschaft. Sieht man hier Bäume, so sind diese meist Teil einer Plantage. Endlose Felder ziehen sich bis zum Horizont, nur unterbrochen von einigen Windrädern. Im Herbst und bei Nebel kann hier Endzeitstimmung aufkommen.
Die hügelige Einöde wird jedoch immer wieder von den Bergstädten unterbrochen, die sich hier noch einmal in ihrer ganzen Vielfalt präsentieren. Im kleinen Accadia gibt es einen Ortsteil, der nach einem Erdbeben verlasssen wurde und seit Jahrzehnten – wie eine Zeitkapsel – unverändert geblieben ist. Die Stadt Sant Agata di Puglie thront so hoch auf einem spitzen Berg, dass man meinen könnte, Tolkien hätte sich hier inspirieren lassen. Und in Venosa wird in einem modernen Museum, tief unter der perfekt erhaltenen Festung, die Geschichte von den vorrömischen Samniten bis zum heutigen Tag lebendig.
Wir konnten diesen Abschnitt daher trotz des Wetters genießen, bis wir bei Palazzo San Gervasio im Schlamm steckenblieben. Das Bild wurde geschossen, als wir es noch amüsant fanden, dass ein paar kleine Dreckbrocken derartig fest am Fahrrad kleben blieben, dass sofort die Räder blockierten.
Als der EuroVelo über eine geschlossene Schlammpiste führte, war das komplette Fahrrad nach kurzer Zeit mit einer Kruste überzogen. Letzendlich brachte uns dies eine Zwangspause bei einer netten italienischen Bauernfamilie und einen großzügigen Umweg ein, bevor wir endlich Gravina in Puglia erreichten.
Die Kulisse des aktuellen James Bond („No time to die“) erhebt sich auch hier inmitten einer kahlen, landwirtschaftlich geprägten Landschaft und steht im krassen Kontrast zu dieser. Spätestens hier endeten die Berge und wir durchquerten eine flache bis leicht hügelige Landschaft. Die Höhenmeter kommen jedoch auch hier nicht zu kurz, denn anstatt steiler Berge, warten hier tiefe Schluchten auf den Radreisenden!
Eine dieser Schluchten verläuft vor der alten Stadt Matera. Während viele Alstädte, Bergstäde und Zentren wie Rom doch stark von der Moderne überprägt wurden, wartet Matera mit einer nahezu unberührten mittelalterlichen Altstadt auf. Die weitläufigen und verschlungenen Gassen laden dazu ein, dass man sich in diesen alten Gemäuern verliert. Dank des Tourismus wurde dieser schwer zugängliche Stadtteil wiederbelebt und beherbergt nun neben Restaurants und Pensionen auch wieder zahlreiche einheimische Bewohner.
Von Matera sind es keine 100 km mehr bis Tarent, auf denen es erneut einige Schluchten und kleinere Städte zu sehen gibt. Eigentlich soll man laut EuroVelo ab Massafra den Zug nach Tarent nehmen, wir entschieden uns aber dazu, das Ziel mit dem Rad zu erreichen. So ließen wir die Häuserschluchten irgendwann hinter uns und blickten auf die weite Bucht mit dem großen Hafen von Tarent!
Werbung und Transparenz:
Die Links in den Beiträgen sind Affiliate-Links. Als Teilnehmer an Partnerprogrammen von Amazon, Globetrotter oder Decathlon verdienen wir an qualifizierten Verkäufen. Wenn du auf einen dieser Affiliate-Links klickst und über diesen Link einkaufst, erhalten wir eine geringe Provision. Für dich fallen dabei keine Extra-Kosten an. Das Programm dient zur Deckung der Kosten der Website.